Robben Island
- apahlenberg
- 15. Jan. 2018
- 7 Min. Lesezeit
Die Hauptsaison in Südafrika hat seine Vor- und Nachteile.
Nachteile: Alles ist von Touristen im wahrsten Sinne des Wortes überschwemmt.
Vorteile: Man schafft es nach Robben Island zu kommen. In der Nebensaison war es immer so, dass die Plätze zahlenmäßig so beschränkt waren, dass man Monate im Voraus ein Ticket buchen musste. Jetzt, Anfang Januar, war es möglich spontan und nur einen Tag im Voraus ein Ticket zu buchen.
Zusammen mit Isabel und Pia habe ich mich dann also auf den Weg auf jene Gefängnisinsel gemacht, auf der auch Nelson Mandela für 18 Jahre inhaftiert war.
Wie der Name bereits verrät, muss man von Kapstadt aus erst einmal mit einem Boot auf die Insel fahren, auf der das ehemalige Gefängnis zu finden ist. Die Fahrt dauerte tatsächlich fast eine Stunde, was uns ein wenig erstaunt hat, da sie vom Ufer aus so nahe scheint. Es sind knappe 12 Kilometer, die die Fähre allerdings zurücklegen muss, eine Strecke, die man als fliehender Sträfling wohl kaum bewältigen kann.
Als wir ankamen, wurde unsere Gruppe von der Fähre in einen Bus hinein verfrachtet, mit dem wir erst einmal eine kleine Runde über die Insel drehten, um uns einen Überblick verschaffen zu können. Heute wohnen auf Robben Island noch sehr wenige Menschen (aber es wohnen welche hier!), nur einige Familien, die der Museumbesdiensteten zum Beispiel oder anderer Arbeiter, die die Insel instand halten. Die Rundfahrt war sehr praktisch und gut dafür geeignet, ein paar Informationen zur heutigen Situation der Insel und des Gefängnismuseums zu erhalten sowie die Orte zu sehen, die in der Geschichte des Gefängnisses eine Rolle spielten, aus den Gefängnisräumen selbst heraus aber nicht zu sehen sind. Erwähnenswert wäre beispielsweise der Steinbruch, in dem die Gefangenen Tag für Tag unter grausamen Bedingungen und für viele Stunden arbeiten mussten. Dass das Wetter im Winter am Kap unerträglich sein kann, hat dabei keinen Unterschied gemacht. Die Gefangenen erhielten neben ihrer dünnen Gefängniskleidung keine Zusatzgarderobe. Im Gefängnismund hieß dieser Ort auch Vorhof zur Hölle. Aufgrund von internationalen Protesten wurde der Steinbruch 1974 geschlossen.
Während der Rundfahrt kam man darüber hinaus an dem kleinen Friedhof vorbei, auf dem die auf der Insel verstorbenen Gefangenen und Wärter bestatten wurden. Zum Dorf gehört ebenfalls eine kleine Kirche, die heute sehr verfallen ist und nur noch ein Mal im Jahr benutzt wird: am Valentinstag! Ja, wer möchte kann sich an dem Tag hier trauen lassen! Wer das allerdings möchte ist mir ein bisschen schleierhaft! Aber nun gut, jeder hat ja seine Vorlieben!

Die Busfahrt endet schließlich vor den Mauern des ehemaligen Gefängnisses, welches sich im Norden der Insel befindet. Man wird dann als Reisegruppe in eine der ehemaligen Gruppenzellen gesteckt und erhält einen authentischen Einblick in die Geschichte des Hochsicherheitsgefängnisses zur Zeit der Apartheid in Südafrika, geschildert aus der Sicht eines ehemaligen Gefangenen. Die Führungen durch das Gefängnis werden mehrfach am Tag von einstigen Sträflingen gemacht, was für die Zuhörer selbstverständlich wahnsinnig spannend ist. Neben den Tagesabläufen im Gefängnis, schildern die jeweiligen Gruppenführer ihre persönlichen Erlebnisse und setzen sie in Zusammenhang mit der Geschichte der Apartheid. Das ist natürlich toll und man kann als Zuhörer die kleinen Teile der Geschichte in das Große Ganze einfügen. Die Teilnehmer können jederzeit persönliche und sachliche Fragen stellen und erhalten meist aufschlussreiche Antworten. Grundsätzlich muss jedoch bei dieser Art der Führung ein hohes Maß an Kenntnis und Abstraktionskraft bei den Teilnehmern vorausgesetzt werden, welches sie sich nicht unbedingt während der Tour auf Robben Island aneignen können. Durch die Touristenmassen, die täglich auf die Insel geschifft werden, bleibt leider keinerlei Zeit, eigenständig das Museum zu besuchen und sich außerhalb der geführten Tour weiterzubilden. Das fand ich persönlich sehr schade, da somit Vieles ungesehen blieb, ungelesen und ungehört. Insgesamt haben wir aber während unseres Rundganges in einer knappen Stunde mehrere Gefängnistrakte anschauen können. Neben den Sammelzellen, in denen etwa 60 Personen untergebracht wurden (auch einst unser Tourguide) und in denen es erst in den letzten Jahren des Gefängnisses richtige Betten gegeben hat (vorher haben die Inhaftierten auf Matten geschlafen), wurden uns die Einzelzellen gezeigt und unterschiedliche Lokalisationen innerhalb des Gefängnisses.


Seit 1961 war Robben Island seit längerer Unterbrechung wieder eine Gefängnisinsel, auf der Schwerverbrecher und während der Apartheid in erster Linie politische Gefangene untergebracht wurden. Robben Island ist auch und vor allem deshalb so bekannt, weil besonders namenhafte Persönlichkeiten wie Nelson Mandela oder Walter Sisulu hier inhaftiert und zur Zwangsarbeit gezwungen waren. Die Erfahrungen, die die Gefangenen täglich im Steinbruch gemacht haben, wird in der Führung durch die ehemaligen Häftlinge eindrücklich geschildert. Unser Gruppenleiter hat beispielsweise nicht nur seine eigenen Erfahrungen und Empfindungen widergegeben, sondern auch viel über die Gruppendynamik der Zwangsarbeiter berichtet und wie man täglich aufs Neue zusammenhielt. Denn innerhalb der Gefängnismauern war die Welt der Apartheid ebenso grausam wie außerhalb. Zu Essen gab es für Schwarze nur Maisbrei und die ausschließlich weißen Wärter konnten ihren Rassenwahn ohne weiteres hemmungslos ausleben. Trotz strikter Verbote und einem gewaltigen Potential an Strafen oder Präventivmaßnahmen fanden sich aber Wege und Möglichkeiten der Kommunikation sowohl innerhalb der jeweiligen Zellenblocks als auch zwischen ihnen. Im Steinbruch entwickelte sich das Klohäuschen beispielsweise zum wichtigsten Kommunikations- und Austauschzentrum.
Im Jahr 1967 traten die Häftlinge nicht zuletzt wegen der Zwangsarbeit, aber auch für grundsätzlich bessere Haftbedingungen in einen unbefristeten Hungerstreik. Die Forderungen lauteten neben einer Verbesserung der Kleidungssituation, mehr Decken zu erhalten, mehr Essen und Trinken zu bekommen, aber auch, Studieren zu dürfen, Lesen und Schreiben zu dürfen sowie Fußball und Rugby auf dem Gefängnishof spielen zu können. Der Hungerstreik war erfolgreich, auch, weil die Insel immer mehr in den Blick der Weltöffentlichkeit rückte. So bildete sich neben der sogenannten Mandela University auf Robben Island auch ein von den Insassen organisierter Fußballverband (allerdings alles nur bis 1970, als unter einer neuen Gefängnisführungen die Freiheiten wieder genommen wurden und das Apartheidregime ohnehin sehr gefestigt war).

Nelson Mandela, Walter Sisulu und viele andere ANC-Führer, die 1963 mit ihnen zusammen verhaftet worden sind, wurden im sogenannten Gefängnisblock B untergebracht, fernab der übrigen Häftlinge. Sie wurden in winzigen Zellen in Einzelhaft gesteckt und durften weder Reden noch Lesen und erhielten nur alle sechs Monate Besuch. Als sich die Bedingungen auf Robben Island in den 60er Jahren kurzfristig lockerten und sich die Gefangenen untereinander austauschen konnten, gelang es den ehemaligen ANC-Führern, Zeitungen für die Inhaftierten zu erlangen, Bücher zu bekommen und untereinander auszutauschen sowie den jüngeren Gefangenen Unterricht zu geben. Vor allem die Geschichtsstunden Walter Sisulus wurden zu mehrjährigen Kursen ausgebaut. Die ehemaligen ANC-Männer hatten erstmalig wieder aus dem Gefängnis heraus nach draußen Einfluss und konnten innerhalb der Partei wieder mit gestalten.
Im Jahr 1980 wurde durch Mandelas ehemaligen Kanzlei-Kollegen Oliver Tamboo die Kampagne Free-Mandela ins Leben gerufen und Mandela wurde somit wieder (seit den 60ern) zu einer Person, die im öffentliche Interesse eine große Aufmerksamkeit genoss.



1982 wurde Mandela aufs südafrikanische Festland verlegt und fuhr aus Robben Island weg. Im Jahr 1990 wurde er schließlich entlassen, 1991 zum Präsidenten des ANC gewählt, in dessen Funktion er die Verhandlungen zur Beseitigung der Apartheid führte.
Robben Island verließen im Sommer 1996 die letzten Gefangenen und die letzten Wärter. 1997 wurde das ehemalige Gefängnis zu einer nationalen Gedenkstätte und 1999 wurde diese von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbe aufgenommen.

Für mich war der Besuch auf Robben Island grundsätzlich erfreulich, weil ich schon lange einmal hinwollte. Doch für einen Bildungsaufenthalt fand ich das Angebot leider ziemlich schwach und ich habe mich eher wie ein Teil einer Viehherde gefühlt, die durch die Gefängnismauern gescheucht wurde, auf der Suche nach der großen Attraktion, der Gefängniszelle Nelson Mandelas. Da ich nicht weiß, wie es in der Nebensaison in dem Museum abläuft, muss ich hier absolut betonen, dass es eine Momentaufnahme meines eigenen Besuches in der Hauptsaison zu einem bestimmten Tag im Januar war. Aber es war doch bemerkenswert, welche Massen auf die Insel geschifft und von der Insel weggeschifft worden sind. Die Qualität des Besuches hat dadurch massiv gelitten. Das ist schade, da es überaus erfreulich ist, wie hoch das Interesse der Menschen an diesem Ort ist! Hunderte Leute nehmen jeden Tag den Weg auf sich, die Gedenkstätte zu besuchen und diesen wichtigen Ort der südafrikanischen Vergangenheit, der aufs engste mit der Apartheid verstrickt ist, zu sehen. Und diesen Leuten muss man Raum schaffen! Das Hauptaugenmerk war jedoch lediglich darauf gerichtet, schnell und so emotional wie möglich eine Gruppe durch das Gebäude zu befördern. Neben der Führung hatte man keine Möglichkeit, sich eigenständig das Museum anzuschauen, welches im Haupttrackt der Gefängnisgebäude eingerichtet worden ist. Der Eindruck, dass man mit so vielen Besuchern nicht umgehen kann, hat sich bei mir leider im Kopf festgesetzt.
Neben dem Mangel an Organisation blieb während der Führung auch kein Raum für einen allgemeinen historischen Überblick über die Geschichte Robben Islands. Denn die Gefängnisinsel gibt es schließlich seit dem 17. Jahrhundert, sie hatte vielerlei Zwecke im Laufe der Zeit.
Zunächst wurde sie als Sträflingskolonie genutzt, seit 1843 aber zum Exil für Leprakranke umfunktioniert, die das südafrikanische Festland verlassen sollten. Die Kranken bauten die oben bereits erwähnte Kirche auf der Insel, lernten einander kennen und lieben und zeugten über 40 Kinder, anstatt zu sterben. Sie entwickelten sich zu einer kleinen Gemeinschaft, bauten die Siedlung, durch die man heute noch mit dem Bus fährt, und wussten einander zu helfen und zusammen zu leben. Erst 1931 siedelte die Regierung die Aussätzigen wieder um, fast einhundert Jahre später. Während des zweiten Weltkrieges wurde schließlich eine Militärbasis auf der Insel errichtet, an die die aufgestellten Kanonen hier heute noch erinnern. Doch von all dem erfährt man bei seinem Besuch leider nichts, und die unterschiedlichen Monumente und Denkmäler wurden nicht erläutert, die Geschichte, die erzählt wird, beginnt erst 1961, als die Insel wieder zur Gefängnisinsel umfunktioniert wurde. Und ganz eigentlich beginnt sie erst in dem Moment, in dem Mandela kam. Auch wenn die Geschichte des Gefängnisses sehr eng mit der Geschichte Mandelas verwoben ist, so darf man sie doch nicht als einzige Geschichte erzählen.
Die Insel ist eine wichtige Gedenkstätte der jüngsten Episode der südafrikanischen Geschichte und ein Monument für den Wandel. Jeder, der sich mit der Geschichte Südafrikas beschäftigt, möchte sich irgendwann wohl auch mal Robben Island angucken. Doch umgekehrt kann man nicht erwarten, dass sich jeder, der nach Robben Island kommt, mit der Geschichte beschäftigt hat. Somit finde ich dass die Art und Weise, in der interessierten Besucher über die Insel gehetzt werden überdacht werden muss. Ich würde mir wünschen, dass die Gedenkstätte und das Museum in Zukunft jedem Menschen die Zeit und die Freiheit lässt, sich in aller Ruhe auch außerhalb des geführten Rahmens umschauen zu können.





















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